Wie teuer Fleisch wäre, wenn es einen „fairen“ Preis hätte, lässt sich offenbar nicht so leicht sagen. "Die Ökonomie tut sich schwer damit, Preise als gerecht oder allgemein normativ zu bewerten", sagt der Agrarökonom Achim Spiller von der Universität Göttingen. "In der Marktwirtschaft regeln ja normalerweise Angebot und Nachfrage den Preis."
Auch Landwirtschaftsministerin Klöckner will an diesen Marktprinzipien nicht rütteln: "Wir regeln als Politik grundsätzlich nicht die Preise", sagte sie. Dennoch hat die Ministerin schon mehrfach die ihrer Ansicht nach zu niedrigen Fleischpreise in Deutschland kritisiert. Ihr wird deshalb auch fehlende Sensibilität gegenüber einkommensschwachen Schichten vorgeworfen. Außerdem würde sie die Schuld auf die Verbraucher abwälzen.
Die Diskussion darüber, ob Fleisch zu billig angeboten wird, findet die Landwirtin Gusti Hobmaier aus dem bayrischen Niedertaufkirchen jedenfalls „witzig“. „Nach außen werde der hohe Anspruch an das Tierwohl kommuniziert und dass man gerne bereit sei, für gutes Fleisch mehr Geld hinzulegen. Eingekauft wird jedoch beim Discounter.“
Bauernvertreter kritisieren zudem, dass von jedem Euro, der an der Ladentheke ausgegeben wird, nur rund 20 Cent bei Bauern ankommen: "Die Erwartungen vieler Verbraucher an höchste Tierschutzstandards sind für so einen Preis überhaupt nicht machbar“, sagt auch Julia Klöckner.
Die Kosten fressen die Erlöse - meistens
Die Bauern haben ihre eigenen Erfahrungen gemacht. „Schweinehaltung ist kein einfaches Geschäft“, sagt Renate Schuster. „Für den Landwirt bleibt selten etwas übrig.“ Sie ist die Geschäftsführerin des Schweinezuchtverbandes Nordost und kennt das ständige Auf und Ab der Schweinepreise.
Für ein Kilo Schweinefleisch aus konventioneller Haltung erhalten Mäster derzeit 1,47 Euro. Für ein 95 Kilogramm schweres Mastschwein, dass sie sechs bis sieben Monate jeden Tag gefüttert und versorgt haben, sind das weniger als 150 Euro. Für Ökobauern sieht es zwar etwas besser aus. Sie bekommen mehr als das Doppelte fürs Kilo Schwein. Doch hier sind auch die Produktionskosten wesentlich höher. Allein das Bio-Ferkel kostet zwei bis dreimal so viel wie in der konventionellen Haltung.
Aktuell muss ein Schweinemäster für ein 25-Ferkel rund 39 Euro zahlen. Hochgerechnet auf ein 100-Kilo-Schwein verbraucht er pro Tier zudem rund 75 Euro für Futter. Hinzu kommen noch variable Kosten: für Arbeitsaufwand, Wasser, Energie, Tierwohl, Abschreibungen und für den Tierarzt.
Für Renate Schuster wäre es in Ordnung, wenn die Bauern mit jedem Schwein etwa 20 Euro verdienen können. Ihr Fazit: „Dazu muss der Erzeugerpreis bei mindestens 1,70 Euro pro Kilo liegen und die Kosten dürfen nicht ständig steigen.“ Beides ist derzeit nicht Fall.
Sind Mindestpreise überhaupt möglich?
Eine Tierwohlabgabe und Mindestpreise könnten die Probleme nach Ansicht vieler Politiker lösen. Die Grünen fordern sogar eine grundlegende Reform der Fleischproduktion in Deutschland. Geht es nach Ihnen soll es bald einen Mindestpreis für Tierprodukte geben.
Die FDP dagegen bezeichnete es als „falschen Weg“, den Landwirten noch mehr Vorgaben zu machen. Das sieht die deutsche Ernährungsindustrie ähnlich. „Ein Mindestpreis sei nicht nur verfassungsrechtlich schwierig umzusetzen, sondern auch schwierig zu berechnen“, sagt Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels.
Auch Ulrich Niederschweiberer, Obmann des Bauernverbands im Kreisverband Mühldorf ist skeptisch: „Sollten Wurst und Fleisch teurer werden, weil die Produktion teurer werde, werde das Geld nicht zu den Bauern fließen. Wir Landwirte hätten nichts davon, wenn die Schlachthöfe höhere Kosten haben.“ Diejenigen, die die Endpreise bestimmten, seien die großen Discounter-Ketten, ist Niederschweiberer überzeugt.
David gegen Goliath
Es ist ein bisschen wie der Kampf David gegen Goliath, sagte auch Landwirtschaftsministerin Klöckner. Gemeint ist die Marktmacht des Einzelhandels. Beim Verkauf von Agrarprodukten müssen sich Landwirte und Lebensmittelindustrie meist den Vorgaben des LEH beugen. Die vier großen Ketten in Deutschland - also Edeka, Aldi, Rewe und Lidl - beherrschen rund 85 Prozent des Lebensmittelmarktes.
"Die Folge dieser Konzentration ist ein gnadenloser Preiskampf auf dem Rücken der Bauern und rücksichtslose Rabattaktionen", sagt Markus Drexler, der Sprecher des bayerischen Bauernverbandes. Der LEH fühlt sich jedoch ungerecht behandelt. „Man halte sich an Recht und Gesetz“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands, Stefan Genth. „Lebensmittel würden in Deutschland nicht verschleudert. Hierzulande lägen die Preise zwei Prozentpunkte über dem Schnitt der übrigen EU-Staaten“.
Außerdem gebe es globale Preisabhängigkeiten, heißt es weiter. Die heimische Produktion gehe nämlich zu einem erheblichen Teil ins Ausland. Ganz falsch ist das nicht: Bei Schweinefleisch liegt die deutsche Selbstversorgung derzeit bei 120 Prozent. Das heißt ein Fünftel der Produktion muss exportiert werden. Gleichzeitig fließen aber große Mengen Schweinefleisch aus dem Ausland auf den deutschen Markt und in die Regale des LEH. Derzeit sind es (ohne die Importe der Ferkel) fast 30 Prozent der Verbrauchsmenge.
Verbraucher machen nicht mit
Die Frage ist nun: Sind die deutschen Verbraucher wirklich bereit, mehr Geld für Lebensmittel – bzw. für Tierwohl auszugeben? Umfragen scheinen dies zu bestätigen. „Es gibt in Deutschland eine breite Zustimmung zu mehr Tierwohl, das wissen wir aus zahlreichen Studien", stellt Achim Spiller von der Universität Hannover fest.
In der Praxis sieht es aber anders aus. Eine Studie der Hochschule Osnabrück hat herausgefunden: Im Supermarkt haben tatsächlich nur 16 Prozent der Kunden wirklich das teurere Fleisch mit dem Tierwohl-Label gekauft. Der Preisunterschied betrug 30 Cent.
Im wissenschaftlichen Beirat beim Landwirtschaftsministerium (BMEL) bezifferte man die jährlichen Kosten für mehr Tierwohl in einem Gutachten von 2015 auf drei bis fünf Milliarden Euro. Dies entspräche in etwa einer Anhebung der Produktionskosten – und bei einer vollständigen Weitergabe an die Verbraucher auch der Preise – von etwa 20 Prozent, sagt die Studie.
Für den Agrarökonomen ist dabei aber nicht unbedingt das Finanzierungsmodell entscheidend als vielmehr die politische Strategie: "Wichtig ist, dass die Politik den Landwirten jetzt endlich Klarheit gibt, wo die Entwicklung in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten hingeht. Da gibt es bisher einfach zu wenig Antworten."
August 20, 2020 at 10:00AM
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Der Wert von Fleisch – Bauern wollen faire Preise - agrarheute.com
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